PIRATERIE | Sieben Fragen an Anja Shortland

Erich Wittenberg: Frau Dr. Shortland*, die Piraterie am Horn von Afrika hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Wie groß ist der wirtschaftliche Schaden, der dadurch verursacht wird?

Natürlich erleiden die Schiffseigner wirtschaftliche Schäden, andererseits profitieren zum Beispiel die Werften, die die Reparaturen durchführen, die Sicherheitskräfte, die Versicherungen und natürlich die Somalier. Abgesehen von den Militäreinsätzen fließen von den Kosten, die die Piraterie verursacht, nur 20 Prozent nach Somalia. Der Rest bleibt in unserem Wirtschaftskreislauf.

Wie groß ist der Profit der Piraten?

Die Lösegelder bewegen sich wahrscheinlich in einem Rahmen von einer bis fünf Millionen US-Dollar pro Schiff. Das ist meist nur ein kleiner Bruchteil des Werts der Schiffsladung. Die Piraten verfügen nicht über die Infrastruktur, um die Ladung eines Frachters zu löschen.

Liegen die Ursachen des Problems ausschließlich in der wirtschaftlichen Not der Somalier?

Nein, es gibt auch andere arme Länder an den Küsten Afrikas. Das Problem liegt im Zusammenbruch der staatlichen Autorität in Somalia. In einem Rechtsstaat kann man nicht einfach gekaperte Schiffe über Monate vor der Küste verankern, während Lösegelder verhandelt werden.

Was bewirken die Marineeinsätze vor der Küste von Somalia?

Die Piraten investieren ihre Gewinne immer wieder in ihr Geschäft. Wenn die Marine eine Kaperung verhindert, können die Piraten ihre Flotte nicht erweitern.Ein Marineeinsatz kann also das Problem eindämmen. Andererseits sind die Einsätze nicht besonders abschreckend, denn die Piraten warten am Transitkorridor weiterhin auf Beute. Seitdem jedoch die Marine im Golf von Aden und im Transitkorridor die Sicherheit verbessert hat, sind deutlich mehr Piraten im Somalibecken unterwegs. Die Ressourcen, die man bräuchte, um das gesamte Seegebiet zu kontrollieren, wären aber nicht zu rechtfertigen.

Wo liegen die größten Hindernisse bei der Bekämpfung der Piraten?

Ein großes Problem ist, dass die Piraterie nicht nur für die Somalier ein gutes Geschäft ist. Die Versicherer machen gute Gewinne und verlangen deshalb von den Schiffseignern keine Sicherheitsvorkehrungen, die Kaperungen schwieriger machen würden. Man darf nicht erwarten, dass die Versicherungen an dem Ast sägen, der Ihnen diesen Versicherungsmarkt möglich macht.

Sollten die Militäreinsätze ausgeweitet werden?

Die Militäreinsätze wären effektiver, wenn die Besatzungen den Piraten mehr Widerstand entgegensetzten und die Marine etwas mehr Zeit hätte, am Ort des Geschehens einzutreffen. Das Problem dabei ist, dass es nicht im Interesse der Besatzungen ist, das Schiff zu verteidigen, weil Piraten gefügige Geiseln besser behandeln. Eine Ausweitung der Militäreinsätze stünde jedoch in keinem Verhältnis zu den Kosten, die die Piraterie in Somalia verursacht.

Welche Optionen hat die internationale Staatengemeinschaft noch?

Die internationale Raubfischerei und die organisierte Entsorgung von Giftmüll vor der Küste Somalias hat den Küstenbewohnern ihre Lebensgrundlage entzogen. Daher glaube ich, dass Somalia eine Küstenwache braucht, die das Land vor diesen Eindringlingen schützt. Im Gegenzug könnte sie die internationale Seefahrt vor Piraterie schützen, denn eine somalische Küstenwache könnte die Piraten bis in ihre Heimathäfen verfolgen. Die internationale Staatengemeinschaft müsste jedoch für die Kosten aufkommen, um sich die Loyalität einer solchen Küstenwache zu sichern. Auch den Haushalten, die jetzt von der Piraterie leben, müssten alternative Arbeitsplätze geschaffen werden, zum Beispiel in der Herstellung von Fischprodukten.

* Dr. Anja Shortland, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilung Weltwirtschaft am DIW Berlin und Senior Lecturer in Economics and Finance, Brunel University, London

Quellenangabe: http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.358541.de/10-29-2.pdf

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2 responses to “PIRATERIE | Sieben Fragen an Anja Shortland

  1. Pingback: Tweets that mention PIRATERIE | Sieben Fragen an Anja Shortland « Safe Seas -- Topsy.com

  2. Sehr geehrte Frau Shortland,
    mit derartigen Aussagen kriminalisieren Sie pauschal einen ganzen Wirtschaftszweig. In völligem Bewusstsein darüber, dass ich hierauf keinerlei Antwort erhalten werde mache ich Sie auf ein Not- und Besitzwehrrecht aufmerksam, welches fast weltweit und uralterlich festgeschrieben ist. Bewachungserlaubnis und Waffenschein scheinen hier zu besonderer Kriminalität aufzurufen. Derartige Stellungnahmen qualifizieren Sie wohl eher weniger zum Sicherheitsexperten. Ich verbitte mir künftig derartige Mitteilungen, wir würden “schonmal schießen bevor wir Fragen stellen” ausdrücklich. Den Rechtsweg behalten wir uns ausdrücklich vor. Eine Diskussion diesbezüglich nehmen wir gerne auf.

    Gruß
    Patrick Schebesch
    M-Sicherheitsdienstleistungen GmbH

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